Keine Argumente – Stadt räumt besetztes Wohnheim

Pressemitteilung vom 7. Mai 2018

Heute morgen wurde auf Veranlassung der Stadt das besetzte Wohnheim im Fridtjof-Nansen-Weg 1 in Göttingen geräumt. Die Aktivist*innen, die das Haus seit dem 30. April besetzt gehalten hatten, um gegen die lokale Wohnungs- und Geflüchtetenpolitik zu protestieren, kritisieren das Vorgehen der Stadtverwaltung scharf. Statt ein polizeiliches Großaufgebot zur Räumung zu schicken, muss sich die Stadt einer inhaltlichen Auseinandersetzung stellen.

Die Initiative Our House Nansen 1 betont, dass sich die Stadt einer öffentlichen Debatte bislang weitgehend verweigert hat. Zwar war der Oberbürgermeister Köhler am ersten Tag der Besetzung vor Ort, ließ sich jedoch nach einem längeren Monolog nicht auf einen echten Austausch mit den Aktivist*innen ein. Kritische Einwände und Nachfragen wurden übergangen und mit Allgemeinplätzen und Verweisen auf eine angeblich schwierige finanzielle Situation abgebügelt.

Es ist bezeichnend, dass die Stadtverwaltung, statt sich mit berechtigter Kritik auseinanderzusetzen und auf vernünftige Vorschläge einzugehen, nun die Polizei schickt, um die politische Debatte zu unterbinden. Angesichts des durchweg friedlichen und offenen Charakters der Besetzung erscheint das massive Polizeiaufgebot als Einschüchterungsmaßnahme, mit dem Aktivist*innen von weiteren Aktionen abgehalten werden sollen. Die Initiative Our House Nansen 1 hat allerdings bereits angekündigt, dass sich der politische Konflikt nicht auf diese Weise beenden lässt und sie die öffentliche Diskussion um die Geflüchteten- und Wohraumpolitik in Göttingen weiter forcieren wird.

Trotz der Räumung wertet die Initiative Our House Nansen 1 die Besetzung als großen Erfolg. Die Aktivist*innen konnten zeigen, dass die realistische und schnell umsetzbare Alternativen zu der bisherigen desaströsen Politik bestehen. So verfügt die Stadt selbst  über Gebäude,die als Wohnraum sofort nutzbar gemacht werden können. Verwaltung und Stadtrat müssen nur den politischen Willen dazu aufbringen, endlich eine Umkehr in der Wohnungspolitik einzuleiten.

Ungeachtet der Räumung setzen sich die Aktivist*innen weiterhin für ihre Forderungen ein: Die Stadt muss den Verkauf des bislang vom Goethe-Institut genutzten Gebäudekomplexes und weiterer als Wohnraum geeigneter Immobilien unverzüglich stoppen. Für unter prekären Bedingungen lebende Menschen muss im Fridtjof-Nansen-Weg und in anderen Gebäuden, die im Besitz der Stadt sind oder von ihr erworben werden könnten, Wohnraum geschaffen werden. Dieser ist insbesondere auch Geflüchteten, die bislang in der Notunterkunft Siekhöhe leben müssen, zur Verfügung zu stellen.

Die Notunterkunft Siekhöhe, eine fensterlose Lagerhalle auf Turnhallen-Niveau, ist die letzte Einrichtung ihrer Art in Niedersachsen. Sie muss unverzüglich geschlossen werden. Eine weitere Verlängerung des Betriebs ist nicht akzeptabel. Die dortige Unterbringung von Schutzsuchenden ist schon allein aus baulichen Gründen mit der Menschenwürde unvereinbar.

Die Besetzung fand in Göttingen und darüber hinaus sehr viel positive Resonanz. Die Aktivist*innen danken den vielen Menschen, die die Aktion in so vielfältiger Weise unterstützt und immer wieder ihre Solidarität versichert haben. Der Zuspruch spornt alle Beteiligten an, sich weiterhin einzumischen und ihre Forderungen solange zu formulieren, bis die Notunterkunft Siekhöhe geschlossen wird und alle Menschen in Göttingen in angemessenem, menschenwürdigem Wohnraum leben.

Pressekontakt

Initiative Our House Nansen 1
Telefon: 0175 7650 410
Mail: nanseneins@riseup.net
Blog: https://nanseneins.noblogs.org
Und auf Facebook.

Hintergrund

Die Notunterkunft Siekhöhe ist eine Unterbringungsform auf Turnhallen-Niveau. Die Halle wurde Ende 2015 geplant, als die Balkanroute noch offen und die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge nicht abzuschätzen war. Es handelte sich von Beginn an um eine Notunterbringung in einer Ausnahmesituation. Diese Ausnahmesituation war schon zum Zeitpunkt der Eröffnung der Siekhöhe nicht mehr gegeben. Andernorts wurden die Turnhallen und Baumärkte so rasch wie möglich geschlossen, als die Zuweisungszahlen sanken und angemessenere Formen der Unterbringung eingerichtet werden konnten. In der Universitätsstadt Göttingen hingegen wurde diese provisorische Form der Unterbringung nicht nur verstetigt, sondern auch gegen jedes rationale Argument zu
einem angeblichen Vorzeigemodell erhoben.

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