Am Sonntag, 10.05.20, wurde der seit nun zwei Jahren leerstehende Wohntrakt des Fridtjof-Nansen-Hauses erneut besetzt. OB Köhler und der aktuelle Besitzer Herr Hogrefe müssen sich endlich zusammensetzen, um hier Wohnraum für Geflüchtete aus den Massensunterkünften zur Verfügung zu stellen. Das zweijährige Nichtstun der Verantwortlichen ist ein Skandal. Hier der Offene Brief an beide:
—
Herr Hogrefe, Merkelstraße 3, 37085 GöttingenRat der Stadt Göttingen / OB Köhler, Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen
Offener Brief
Fridtjof-Nansen-Haus erneut besetzt – Platz für Geflüchtete aus Massenunterkünften jetzt
Guten Tag Herr Hogrefe, Mitglieder des Rats der Stadt Göttingen, Herr OB Köhler,
heute um 11 Uhr wurde der seit April 2018 leerstehende Wohntrakt des Fridtjof-Nansen-Hauses (Fridtjof-Nansen-Weg 1) durch eine Besetzung erneut zur Nutzung geöffnet. In den ursprünglich für international Studierende eingerichteten Wohneinheiten mit Bad und Küche sowie 30 Einzel- und Doppelzimmern ist Platz für Geflüchtete. Diese sind derzeit noch in Massenunterkünften wie der Hannah-Vogt-Straße oder der Carl-Giesecke-Straße mit mehreren Menschen auf einem Zimmer untergebracht. Im Fridtjof-Nansen-Haus kann – nach wie vor – kurzfristig Wohnraum geschaffen werden. Wohnraum mit dem Ziel, für jeden Menschen mindestens ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu stellen. Für die geflüchteten Menschen würde das nicht nur die Möglichkeit bedeuten, ihre Intimsphäre wahren und sich zurückziehen zu können. Während der Covid-19-Pandemie wird so auch ein wichtiger Beitrag zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Menschen geleistet. Wir fordern Sie auf:
Reden Sie miteinander und schaffen Sie endlich im Fridtjof-Nansen-Haus Wohnraum für Geflüchtete!
Wir wenden uns heute an Sie als Eigentümer sowie als politisch und verwalterisch Verantwortliche in Göttingen. Vor zwei Jahren, vom 30.04. bis 07.05.18, wurde der bereits damals leerstehende Wohntrakt erstmalig als „Nansen1“ besetzt (s. nanseneins.noblogs.org). Zu diesem Zeitpunkt war das Fridtjof-Nansen-Areal samt seiner Gebäude noch im Besitz der Stadt Göttingen. Die Besetzer*innen forderten die Stadt damals auf, das Gebäude nicht zu verkaufen, sondern den hier offensichtlich vorhandenen Wohnraum für Geflüchtete zu nutzen. Sie, Herr Köhler, haben den Kauf dennoch vorangetrieben und damit kommunalen Handlungsspielraum aus der Hand gegeben. In der Bauausschusssitzung vom 07.06.18 wurde der Verkauf an den Hogrefe-Verlag entschieden, in der Ratssitzung nur eine Woche später am 15.06.18 in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen. Der Architekt von Herrn Hogrefe, Herr Schwieger, kündigte an, der „Wohnheims-anbau“ solle überwiegend dem Wohnen vorbehalten werden. Dagmar Sakowsky (Grüne) erklärte, durch den Verkauf an Sie, Herr Hogrefe, sei das Haus „in guten Händen“. Tom Wedrins (SPD) schloss sich dem an. Doch Sie alle haben sich offensichtlich getäuscht.
Wir bilanzieren nach zwei Jahren:
1. Die Stadt Göttingen hat 2018 auf Ihre Initiative, Herr Köhler, und mit Ihren Stimmen, Mitglieder des Stadtrats, mit dem Fridtjof-Nansen-Haus ein weiteres Mal und ohne Not Wohnraum an einen Privatinvestor verkauft. Ähnlich ist übrigens die Vernichtung eines öffentlichen, sozialen Wohnraumprojekts auf dem ehemaligen IWF-Gelände am Nonnenstieg verlaufen.
2. Offenbar wurden für das Fridtjof-Nansen-Haus beim Verkauf keine vertraglichen Vorgaben zur sofortigen Nutzung des Wohntraktes getroffen – ein weiteres Versäumnis. Herrn Hogrefe wurden lediglich rund 1,5 Millionen Euro vom Kaufpreis erlassen.
3. Seit zwei Jahren lassen Sie, Herr Hogrefe, den Wohnbereich leer stehen, während in Massenunterkünften mehrere Geflüchtete in einem Zimmer untergebracht sind. Seit acht Monaten erklären Sie, Mitglieder des Rats, Göttingen zum Sicheren Hafen, ignorieren aber faktisch die Menschen in den Lagern an der europäischen Außengrenze. Seit Monaten hat die Corona-Pandemie auch Göttingen erreicht, die die Belastung und gesundheitliche Gefährdung in den Massenunterkünften noch verschärft.
Sie verantworten gemeinsam die bisherige Nicht-Nutzung des Wohntrakts im Fridtjof-Nansen-Haus:
Als Mitglieder des Stadtrats und als Verwaltungsspitze können Sie nicht behaupten, Sie hätten mit dem bis heute bestehenden Leerstand nichts zu tun, nur weil das Haus heute in Privatbesitz ist. Erst recht nicht vor dem Hintergrund des damals in der Öffentlichkeit hochumstrittenen Verkaufs des Nansen-Hauses.
Als Käufer und Eigentümer können Sie nicht behaupten, der in unseren Augen unverschämte Leerstand sei ihre private Angelegenheit und ginge die Öffentlichkeit nichts an.
Geld, Einfluss und Entscheidungsmacht fehlt Ihnen allen nicht. Was also fehlt Ihnen, gemeinsam die Nutzung des Wohntrakts sofort zu veranlassen?
Leerstand nutzen, Moria evakuieren, Massenunterkünfte auflösen!
Our House Nansen1
* our-house-n1@riseup.net * nanseneins.noblogs.org * facebook.com/nanseneins *